Editorial von Christian Heep, Vize-Präsident im Bundesverband eMobilität und Chefredakteur der NEUEN MOBILITÄT / Ausgabe 11 / April 2013
Als überzeugter Optimist mit einem starken Hang zum Realismus gebe ich zu, dass ich immer wieder zur Schönfärberei neige und mir eher ungünstige Sachverhalte beizeiten zurechtbiege und dabei nicht aufgebe, das Gute auch in solchen Situationen zu suchen. Das Finden stellt sich dabei immer häufiger ein und im Ergebnis einer solchen Einstellung profitieren Reaktanz, dynamischer Pragmatismus und ein insgesamt positiver Problemlösungsansatz.
Maßlose Selbstüberschätzung, rhetorische Lügenkonstrukte, Luftschlösser und die permanente Kommunikation von Wunschvorstellungen im Perfekt oder Plusquamperfekt gehören dabei nicht zu meinem Arsenal.
Damit meine ich im Gegenteil zur Futur-Kommunikation von Maßnahmen und Zuständen, die wir wollen, haben werden und in Kürze umsetzen werden, das zur Schau gestellte Selbstverständnis man wäre in der Entwicklung der Elektromobilität schon ganz vorne mit dabei und hätte alles im Griff.
Im Archiv des Bundestages gibt es einen Redebeitrag unseres Parlamentarischen Beiratsvorsitzenden Herrn Tiefensee, Bundesverkehrsminister a.D., zum Thema Elektromobilität, der kaum an Aktualität verloren hat. Allerdings ist der Beitrag ja auch erst knapp drei Jahre alt. Und es ist viel passiert..
Wir haben es mit intensiven gemeinsamen Anstrengungen geschafft, den Elektrofahrzeugbestand in Deutschland auf immerhin fast 8.000 Fahrzeuge zu erweitern. Das sind rühmliche 0,0172% – gemessen am Gesamtfahrzeugbestand in Deutschland. Und in der Tat, damit sind wir regierungsseitig auf dem besten Weg Leitmarkt, Leitanbieter, Erstmarkt oder was auch immer zu werden. Der ständige Einsatz der Zeitform Futur I und II verhindert dabei übrigens erfolgreich jegliche Frustration, die ansonsten in deren eigenem Handeln und Wirken leicht auffallen würde. Dieses wollen und werden ist weit davon entfernt, tatsächlich einzutreffen und bei seinen Anhängern leider ungefähr genauso weit verbreitet.
Wir vergleichen die eMobilität gern mit einem Marathonlauf. Nach intensiven Vorbereitungen, Testläufen und Trainingsstunden rückt der Starttermin immer näher. Dann geht‘s los. Wir sind im übrigen bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts gestartet. Nach den großen Etappenverlusten in den 20er und 70er Jahren stehen wir aber nun wieder im Vorbereitungszelt und schauen den Chinesen, Japanern, Koreanern und Amerikanern beim Start zu. Im Kino läuft derweil ein alter Hut: Die Renaissance der Elektromobilität.
Aber was soll‘s, am Ende sind wir doch alle Gewinner. Hauptsache wir kommen irgendwann im Ziel an. Die dicken Sponsoringverträge landen aber meist nur bei den Ersten. Besteht da etwa am Ende eine Verbindung zu Wertschöpfung und Wohlstand..? Wir müssen also schneller laufen und das Feld vorne aufmischen. Na, sehen Sie sich jetzt auch bildhaft mit elektromobilem Gewinnergrinsen leichtfüßig am schwächelnden Mittelfeld vorbeiziehen, die Zielmarke 2020 schon in Sichtweite..? Leider habe ich eine enttäuschende Nachricht: Sie haben vergessen loszulaufen. Warum stehen Sie da immer noch rum und schleichen von einem Kongress zum nächsten..?
Kontinuität findet sich in der Frequenz einzelner Schritte. Dieses Konzept entwickelt sich über ineinandergreifende Maßnahmenpakete zur gewünschten Eigendynamik und damit, basierend auf unserer technologischen Kompetenz, über einen Erstmarkt zum Leitmarkt. Zum Leitanbieter. Zum Weltmeister. Wir können das doch. Wir müssen nur wollen. Und zwar insbesondere politisch.
In viel zu vielen Gesprächen erklären mir die Experten vermeintlicher Befürworter von Elektromobilität, Nachhaltigkeit und Erneuerbarer Energien immer wieder, warum es ist, wie es ist. Rhetorisch einwandfrei und auf sehr hohem Niveau schleichen sich allerdings abwechselnd Fehlannahmen, Widersprüche, Ausflüchte und Behelfsargumentationen in die komplexen Sachverhalte ein und verwässern die Gesamtaussage auf ein zunehmend unerträgliches Niveau. Da wird die nachhaltige Ausrichtung und die gute Idee missbraucht und instrumentalisiert, um nach einem einlullend befürwortenden Plädoyer endlich auf den Punkt zu kommen. Dann wird die Katze aus dem Sack gelassen und die gute Tat in eine ferne Zukunft projektiert. Wir wollen zwar, aber..
Meiner Pragmatik mag es geschuldet sein, dass ich mich auf diese argumentativen Irrlichter nicht mehr einlassen möchte. Ich werde mich auch in Zukunft nicht von Fracking oder CCS überzeugen lassen und werde mich auch weiterhin mit Nachdruck für Erneuerbare Energien, emissionsarme Antriebsarten und eine nachhaltige Klima- und Umweltpolitik einsetzen. Das wird auch eine taktile Pseudo-Strompreisbremse kaum verhindern. Im Gegenteil.
Konstruktive Gespräche, die lösungsorientiert in eine bessere Zukunft schauen, sind natürlich jederzeit willkommen. Wir sollten uns insgesamt nicht weiter mit Protektionisten beschäftigen, sondern mit Gleichgesinnten – und gemeinsam mit unseren innovativen BEM-Mitgliedern einen Systemwechsel hin zu einer Neuen Mobilität durchsetzen.
Ich muss wirklich lernen, mir nicht immer doof vorzukommen, sondern meine Sicht der Welt und der Dinge, die ich bewegen möchte, einfach nur in sich immer wiederholenden Phrasen zu repetieren. Immer und immer wieder. Dann wird es von ganz alleine wahr. Die Medien nehmen es ja bei den Anderen auch auf, drucken und verbreiten es und was schwarz auf weiß geschrieben steht, muss wahr sein. Also, Herr Wissmann, 15 Elektroautos oder 2 Kisten Champus. Sie haben die Wahl..
Wette vom Tagesspiegel eMobility Summit 2012 zwischen BEM-Beiratsvorsitzendem Dr. Jan Traenckner und Dr. Ulrich Eichhorn vom VDA, der die deutsche Automobilindustrie verteidigte und 15 in Serie gefertigte eAutos bis Ende 2014 versprach. Die Wette gilt.
Christian Heep
christian.heep@bem-ev.de